Sie erwähnen die Diagnose "periorales Ekzem". Könnte es auch eine sogenannte "periorale Dermatitis" sein? Hier ein paar Punkte zum Unterscheiden:
I. Ein periorales (also: um den Mund herum) Ekzem wird auch Lippenekzem genannt, weil es typischerweise im Bereich der Lippen und der angrenzenden Haut gelegen ist. Man sieht meistens eine pergamentartig trockene entzündlich-gerötete Haut mit feinen fest anhaftenden Schuppen, kleinen offenen (aufgekratzten) Stellen und manchmal Einrissen in der Haut. Der bestehende Juckreiz führt dazu, dass der Bereich immer wieder mit den Lippen abgeleckt wird. Durch diese Befeuchtung wird der Juckreiz zwar kurzzeitig gebessert, aber das Lecken trocknet die Haut noch mehr aus (durch das Abdunsten) und führt dazu, dass die Entzündung stärker wird. Deshalb nennt man es auch "Lippenleckekzem". Wichtig ist es daher, den "Teufelskreis" des Lippenleckens zu beenden. Eine Komplikation, die beim perioralen Ekzem auftreten kann, ist die Infektion des entzündeten Areals durch Bakterien, Viren (Herpes, Warzen) oder Hefen.
II. Eine periorale Dermatitis, auch rosazea-artige Dermatitis oder "Stewardessen-Krankheit" genannt, ist eine ungeklärte Hauterkrankung, vorwiegend bei jüngeren Frauen, die auch meistens um den Mund herum lokalisiert ist. Es finden sich spitzkegelige, kleinste Knötchen, Bläschen und selten kleine Pickelchen auf entzündlich geröteter Haut. Im Gegensatz zum perioralen Ekzem/Lippenekzem tritt die sogenannte periorale Dermatitis manchmal nicht nur um den Mund herum auf, sondern kann sich auch auf Nasenfalten, Kinnregion, Wangenbereich und unter Umständen auch Augenbereich ausdehnen. Ganz typisch für diese Erkrankung ist eine klar abgrenzbare, schmale erscheinungsfreie (gesunde) Zone um das Lippenrot herum. Woher genau diese Erkrankung kommt, ist ungeklärt. Es besteht aber kein Zweifel, dass die periorale Dermatitis vielfach in direktem Zusammenhang mit der äußerlichen Anwendung von Kortisonpräparaten steht. Oft sind es geringfügige Hautveränderungen im Gesicht, zu deren Behandlung über längere Zeit unkontrolliert Kortison angewendet wird. Einer vorübergehenden Besserung der ursprünglichen Hauterkrankung folgt die periorale Dermatitis.
Sie schreiben, u.a. sei nun der rechte Mundwinkel eingerissen. Diese Mundwinkelrhagaden (bzw. - einrisse) werden auch Perl?che oder Angulus infectiosus (= infizierter Winkel) genannt. Es gibt viele verschieden Ursachen für dieses Geschehen. Neurodermitiker allgemein können darunter leiden, aber es kann auch eine akute Infektion mit Bakterien oder Hefen sein. Gelbliche Verkrustung spricht für eine bakterielle Ursache, ein weißlicher Belag für eine Hefepilz-(Candida albicans-)Infektion.
Wie ganz oben schon erwähnt, kann solch eine Infektion als Komplikation beim perioralen Ekzem auftreten. Ich empfehle Ihnen deshalb, zu einem Hautfacharzt Ihres Vertrauens zu gehen, um gegebenenfalls Abstriche machen zu lassen und eine entsprechende antibakterielle oder antimykotische (=Anti-Pilz-)Behandlung durchzuführen.
Dr. Philippa Golling
In ihrem Fall ist es zunächst wichtig zu klären, auf welcher Basis dieses Kopfhautekzem entstanden ist. Handelt es sich wirklich um ein Ekzem im Rahmen einer Neurodermitis? Der von Ihnen beschriebene Befund kann auch durch eine Kontaktallergie oder eine Pilzinfektion entstehen. Dies gilt es zu überprüfen. Auch eine Schuppenflechte muss ausgeschlossen werden. Wenn es eine Neurodermitis ist, sind die ersten Schritte der Behandlung ein Ablösen der Schuppen z.B. mit salicylsäurehaltigen Kopfsalben und anschließend Kortisonlotionen bzw. Kortisonsalben. Aber diese Schritte werden Sie sicherlich bereits durchgeführt haben. Die modernen topischen Immunmodulatoren wie Pimecrolimus (Handelspräparat z.B. Douglan) oder Tacrolimus (Handelspräparat Protopic) wären geeignet für eine weitere Schubkontrolle. Sie können über Nacht einwirken und am morgen ausgewaschen werden. Sollten jedoch lokale Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen, müssen auch systemische (innerliche) Therapien in Betracht gezogen werden.
Gerade bei einem nässenden Befund ist auch eine Antibiose mit einem staphylokokkenabtötenden Antibiotikum, wegen der neurodermitistriggernden Wirkung der Staphylokokkensuperantigene, eine mögliche Option. Des weiteren könnte zunächst auch ein UV-Lichtkamm eingesetzt werden. Die konkrete Therapieentscheidung kann letztendlich selbstverständlich nur die behandelnde Kollegin vor Ort treffen.
Dr. Uwe Schwichtenberg
Die dunklen Ringe um die Augen kennen wir Dermatologen unter dem Namen 'masque biliaire'. Ein französischer Dermatologe hat sie vor vielen Jahren so genannt, weil er an eine Beziehung zu Gallenleiden glaubte. Wir wissen heute, dass dieses Zeichen vielmehr sowohl bei Neurodermitis als auch bei Heuschnupfen auftreten kann. Es gibt tolle Theorien über die Ursache, aber leider erklären die nur einen Teil der Fälle. Dummerweise gibt es auch keine allgemein anerkannte besondere Therapie für diese Verfärbung der Augenregion. Wahrscheinlich macht es aber Sinn, die chronische Bindehautentzündung gescheit zu behandeln. Wir haben da kürzlich ein Rezept für Augentropfen veröffentlicht, die vielleicht auch für Sie geeignet sind. Das muss aber ihr eigener Augenarzt vor Ort entscheiden. Wenn dann auch die Masque biliaire verschwindet, um so besser!
PD. Dr. Andreas Wollenberg
Neurodermitiker neigen grundsätzlich nicht nur zu trockener Haut, sondern auch zu trockenen Lippen. Durch vermehrtes Befeuchten mit Speichel wird dann versucht, die Lippen wieder geschmeidig zu bekommen. Daraus kann ein sogenanntes Lippenleckekzem resultieren. Diesen Teufelskreis kann man durchbrechen, indem man die Haut um den Mund herum z.B. mit einer Zinkpaste schützt. Zusätzlich sollte Ihr Sohn sich bewusst machen, dass er eine Befeuchtung der Lippen und Umgebung unterlassen sollte, bis die Hautveränderungen abgeheilt sind.
Bei zusätzlich rissigen Mundwinkeln sollte eine Mundsoor (Hefepilzinfektion) ausgeschlossen werden. Außerdem ist es wichtig, einen Vitamin B2-Mangel oder einen Zinkmangel bei einseitiger Diät zu erwägen. Bei Bläschenbildung sollte jeweils eine Herpes simplex-Infektion ausgeschlossen werden.
Dr. Martina Moderer
Der von Ihnen geschilderte vermehrte Tränenfluss wird vermutlich einfach nur Ausdruck der Schleimhautschwellung im Rahmen des Entzündungszustandes der Haut sein. Durch die Schleimhautschwellung wird der Tränengang, der für den Abfluss der Tränenflüssigkeit zur Nase zuständig ist, eingeengt, so dass die Tränenflüssigkeit als Träne aus dem Auge läuft.
Wichtig ist die frühzeitige ekzemlindernde Behandlung, damit es durch den chronischen Entzündungszustand nicht zur Vergröberung der Hautfelderung (Lichenifikation) kommt. Bei leichten sporadisch auftretenden Lidekzemen kann die Therapie mit schwachen Cortisoncremes erfolgen. Bei langfristig wiederkehrenden Ekzemen sollte ein topischer Immunmodulator (z.B. Douglan Creme etc.) eingesetzt werden, um die Langzeitschäden einer Cortisonanwendung zu vermeiden. Eine regelmäßige Hautpflege mit möglichst duftstofffreien Pflegepräparaten ist Grundlage jeder Therapie.
Dr. Uwe Schwichtenberg
Wenn die Neurodermitis den Lidbereich betrifft, war dies in den vergangenen Jahren immer ein therapeutisch schwierig beherrschbarer Befund. Die Lidhaut ist für die Kortisonnebenwirkungen (Pergamenthaut, Gefäßneubildung) sehr empfindlich, so dass hier nur moderne Kortisonpräparate in sehr niedriger Dosierung zur Anwendung kommen sollten.
Der erfolgversprechendste Weg für eine langfristige Kontrolle des Befundes sind jedoch die topischen Immunmodulatoren (Douglan, Elidel, Protopic). Die von Ihnen geschilderten unerwünschten Wirkungen mit Rötung und Brennen der Haut werden zwar von vielen Patienten geschildert, geben sich jedoch üblicherweise innerhalb der ersten Woche der Anwendung. Sie sollten also versuchen, falls bisher noch nicht geschehen, eine Anwendung über circa 2 Wochen bei zweimal täglicher Anwendung durchzuführen.
Würde dies wider Erwarten nicht zum Erfolg führen, bleibt wirklich nur der kurzfristige Einsatz moderner Kortisonpräparate und eine optimierte Pflege. Auch bei den Pflegepräparaten hat sich in jüngerer Zeit etwas getan, so haben wir z.B. auch ein johanniskrauthaltiges Präparat zur Verfügung, für eine vernünftige Empfehlung müsste man jedoch ihren aktuellen Hautzustand beurteilen, um das passende auszuwählen. Dies kann nur Ihr Dermatologe vor Ort.
Dr. Uwe Schwichtenberg
1.: Nein, nach den zuvor geschilderten Symptomen und dem Krankheitsverlauf ist es nicht sinnvoll, mit der Kortisontherapie fortzufahren.
2.: Hydrokortison ist eben doch auch ein Kortikosteroidpräparat, wenn auch schwächer in der Wirkung und schwächer in den Nebenwirkungen. Aber auf Dauer können die Nebenwirkungen von Hydrokortison denen einer stärkeren Kortisonklasse gleichen. Folgeschäden bei einer langfristigen lokalen Anwendung (d.h. auf die Haut appliziert) von Hydrokortison bzw. Kortison sind u.a.: Verdünnung der Haut (= Atrophie), Sichtbarwerden kleiner Gefäße (= Teleangiektasien), je nach Körperteil auch so etwas ähnliches wie "Schwangerschaftsstreifen" (= Striae distensae), erhöhte Gefäßbrüchigkeit mit kleineren oder größeren Einblutungen in die Haut (manchmal wie "blaue Flecken"), Zunahme der Körperbehaarung (= Hypertrichose), Infektionen, und im Gesicht Entstehung einer perioralen Dermatitis! Ein weiterer Nachteil ist, dass die Haut/der Körper sich bei längerer Kortisontherapie an das Kortison gewöhnt und das Medikament nicht mehr so gut oder überhaupt nicht mehr wirkt. Man nennt das Phänomen "Tachyphylaxie".
3.: Nein, es handelt sich bei Ihren Hautveränderungen um den Mund herum und im Gesicht - so wie Sie es beschreiben - zum jetzigen Zeitpunkt eher nicht um einen Neurodermitis-Schub.
4.: Ja, andere Diagnosen kommen in Betracht. Am wahrscheinlichsten ist - nach all den Angaben, die Sie gemacht haben - eine periorale Dermatitis (übersetzt: um die Mundöffnung herum gelegene Hautentzündung), die sich aber auch ausbreiten kann auf die Gesichtsfalten, Kinn, Unterlider, manchmal auch Oberlider, Wangen, Stirn... Um das noch mehr abzusichern, können Sie selber im Spiegel schauen, ob es direkt um Ihre Lippen herum einen schmalen, ganz freien Randsaum gibt (also ohne Hautveränderungen) bevor der Ausschlag beginnt? Das wäre charakteristisch für die periorale Dermatitis.
Therapievorschlag im Falle einer perioralen Dermatitis: Das Wichtigste ist, die lokale Kortisonbehandlung (also die Kortisonsalbe, -creme o.ä.) unter ärztlicher Betreuung abzusetzen. Danach werden die Hauterscheinungen vorübergehend schlechter (Kortisonentzug!). Aber man darf deswegen nicht wieder zur Kortisontube greifen! Kühle Umschläge mit Schwarztee (10 Minuten ziehen lassen) lindern die Entzündung. Abgesehen vom Schwarztee tut man am besten gar nichts auf die irritierte Haut. Wenn es sehr spannt, dann eine Lotion oder eine andere wasserhaltige Creme, aber auf keinen Fall fettende Salben und keine Kosmetika. Das Gesicht bitte nur mit warmem Wasser reinigen, nichts Irritierendes tun.
Dieser Korisonentzug ist notwendig, kann aber schwer auszuhalten sein. Da müssen Sie durch! Manchmal, das entscheidet der betreuende Hautarzt, kann es helfen, eine Creme mit einem Antibiotikum (Erythromyzin z.B.) oder einem bestimmten anderen Wirkstoff (Metronidazol) aufzutragen. Zudem spricht die Erkrankung sehr gut an auf eine mehrwöchige Antibiotika-Tablettentherapie mit Tetrazyklinen. Das wird der Arzt mit Ihnen zusammen entscheiden.
Dr. Philippa Golling
Die Neurodermitis im Augenbereich ist keine direkte Folge eines Heuschnupfens, sondern kommt nur gehäuft zusammen mit ihm vor. Um den Bezug zwischen Sensibilisierung auf Frühblüher und dem Lidekzem zu zeigen, könnte man einen Atopie-Patchtest durchführen.
Die Neurodermitis im Augenlidbereich behandelt man zunächst entzündungshemmend und dann mit Pflegecreme. Das klassische Mittel zur Entzündungshemmung, die 'Kortisoncreme', nimmt man im Augenlidbereich ungern, da die Haut hier besonders empfindlich für Nebenwirkungen wie Hautverdünnung ist. Die neuen topischen Immunmodulatoren oder selektiven Kalzineurininhibitoren (Pimecrolimus und Tacrolimus) sind da geeigneter, weil sie keine Hautverdünnung erzeugen. Dann sollte man zusätzlich mit wirkstofffreier Basispflege behandeln - da gibt es viele Produkte. Ich persönlich mag das Lipikar der Firma Roche Posay oder das Excipial der Firma Karrer sehr gern, aber andere Produkte sind auch gut und das muss man ausprobieren. Reine Basispflege allein kann man nicht empfehlen, stattdessen sollte man das Lidekzem medizinisch behandeln und dann soweit wie möglich nur pflegend weitermachen.
Der Nutzen der Hyposensibilisierung ist zwar für den Heuschnupfen gut belegt, nicht aber für die Neurodermitis. Andererseits ist die Neurodermitis auch kein Grund, eine für den Heuschnupfen sinnvolle Hyposensibilisierung nicht zu beginnen. Das muss der behandelnde Hautarzt und Allergologe im Einzelfall entscheiden.
Bei Augen-Make-Up soll man auf allergisierende Inhaltsstoffe möglichst verzichten und alles weglassen, was bei einem Epikutantest (das ist der Pflastertest, der am Rücken durchgeführt wird) positiv reagiert. Weil etwa 50% aller Lidekzeme eine kontaktallergische Komponente haben, macht ein Epikutantest bei Lidekzemen grundsätzlich Sinn.
PD. Dr. Andreas Wollenberg
Rauhe, trockene, schuppende Haut um Augen und Lippen kann auch bei fehlendem Juckreiz eine besondere Erscheinungsform der Neurodermitis sein. Andererseits könnte es eine Kontaktdermatitis im Lidbereich sein, die im Alter von 74 Jahren sogar noch häufiger wäre. Beide Erkrankungen können zudem gemeinsam vorkommen. Hier ist eine Ferndiagnose nicht möglich. Sie sollten sich in den nächsten Tagen einmal bei einem Hautarzt vorstellen. Dieser könnte zum einen eine geeignete Behandlung einleiten. Zum anderen sollte, in Abhängigkeit vom aktuellen Hautzustand, eine allergologische Abklärung erfolgen - dies kann beispielsweise ein Hauttest und eine Blutabnahme sein.
PD. Dr. Andreas Wollenberg
Die Neurodermitis ist eine Erkrankung, die sich unter Umständen durch Allergene, die in der Umwelt vorkommen, verschlechtern kann. Dabei reagieren die Haut und Schleimhäute auf beispielsweise Pollen nicht nur mit tränenden Augen, Fließsschnupfen oder Niesattacken, sondern auch mit der Verschlimmerung der Ekzeme an der Haut. Insbesondere sind davon die unbedeckten Körperstellen betroffen. Daher lassen sich Ihre Beschwerden im Frühjahr erklären.
Die erfolgreiche Therapie setzt jedoch eine ausführliche Diagnostik voraus: Pricktestungen zur Identifizierung möglicher Allergene, die in der Luft oder in Nahrungsmitteln enthalten sind, sind dabei durchzuführen. Außerdem kann eine Epikutantestung (Pflastertest am Rücken) und ein Atopie Patch Test (dabei werden verschiedene luftgetragene Allergene direkt auf der Haut getestet) zur Identifizierung möglicher Kontaktallergene beitragen. Zusätzlich gibt es Blutuntersuchungen (Gesamt IgE, RAST) die eine bereits eingetretene Sensibilisierung aufdecken kann. Die Therapie besteht darin, die identifizierten Allergene soweit wie möglich zu meiden, was nicht immer zu 100% durchführbar ist.
Zusätzlich ist die äußerliche Therapie der Haut sehr wichtig: im akuten Ekzemschub sollten antientzündliche Cremes, die Kortison oder auch neue kortisonfreie Stoffe, die sich Calcineurininhibitoren (z.B. Pimecrolimus oder Tacrolimus) nennen, verwendet werden. Im Intervall, also zwischen den Schüben, sollte eine konsequente Hautpflege im Vordergrund stehen, wobei rückfettende, Harnstoff enthaltende Pflegeprodukte empfohlen werden.
Dr. Martina Moderer