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Seltene Genvarianten für Neurodermitis gefunden

4. Januar 2022 - Dr. Uwe Schwichtenberg

In einer genomweiten Assoziationsstudie entdeckte die MDC-Arbeitsgruppe von Young-Ae Lee mehrere seltene Genvarianten, die die Anfälligkeit für Neurodermitis erhöhen. Das Team berichtet darüber in „Nature Communications“. Weltweit leiden etwa 20 Prozent aller Kinder und drei Prozent der Erwachsenen an der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung Neurodermitis (atopisches Ekzem). Typisch sind trockene, entzündete und stark juckende Hautstellen der Ellenbeugen und Kniekehlen – die Neurodermitis betrifft auch manchmal die gesamte Haut. Auslöser ist häufig der Kontakt mit Allergenen, die eine überschießende Immunantwort und eine Entzündungsreaktion in der Haut verursachen. Neurodermitis zählt, wie Asthma, Heuschnupfen und Nahrungsmittelallergien, zu den allergischen Erkrankungen.

Aus Geschwister- und Zwillingsstudien wissen Forschende, dass die Anfälligkeit der Neurodermitis zu zwei Dritteln auf erbliche Faktoren zurückzuführen sind, zu etwa einem Drittel tragen Umweltbedingungen bei. „In früheren Studien wurden bereits 32 Genorte (Loci) identifiziert, die mit dem atopischen Ekzem assoziiert sind“, sagt Professorin Young-Ae Lee vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Diese erklärten aber nur rund 15 Prozent der genetischen Anfälligkeit. Bisher konnten in genomweiten Assoziationsstudien nur genetische Varianten analysiert werden, die mit einer Häufigkeit von mindestens fünf Prozent in der Bevölkerung vorkommen. „Wir haben in unserer Studie erstmals die Rolle seltener Varianten beim atopischen Ekzem untersucht“, fügt Lee hinzu. Jüngste Studien deuten darauf hin, dass seltene Genvarianten bei einer ganzen Reihe von Volkskrankheiten – wie entzündlichen Darmerkrankungen, Asthma und Krebs – bedeutend sind. Elf selten auftretende Risikovarianten für das atopische Ekzem haben Lee und Kolleg*innen aus der Arbeitsgruppe „Molekulare Genetik allergischer Erkrankungen“ jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Je größer die Studie, desto eher finden sich seltene Gen-Varianten

Etwa alle 1.000 Basenpaare unterscheidet sich die Abfolge der Erbsubstanz zweier Menschen. Diese Einzelnukleotid-Polymorphismen (single nucleotide polymorphisms oder SNPs) sind zufällig über das gesamte Genom verteilt und machen die genetische Individualität eines Menschen aus – und somit auch seine Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen. Assoziationsstudien suchen nach Varianten, deren Häufigkeit sich bei Ekzempatient*innen signifikant von Gesunden unterscheidet. Um seltene Varianten aufzuspüren, bedarf es sehr großer Studienpopulationen. Weltweit haben Forschungsgruppen Daten von insgesamt 20.016 Ekzempatient*innen und 380.433 Kontrollpersonen zu dieser Studie beigesteuert.

Für Genotypisierungen verwenden Forschende üblicherweise DNA-Mikrochips, auf denen bis zu mehrere Millionen SNPs als DNA-Abschnitte verankert sind – vorwiegend häufige Varianten. Doch durch einen mathematischen Kniff gelingt es ihnen, auch seltene Varianten zu finden. „Denn meist werden SNPs, die auf der DNA näher beieinander liegen, in Kombination, also als Block, gemeinsam vererbt. Das nutzen wir aus, um die SNPs, die auf einem Mikrochip fehlen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorherzusagen“, sagt Dr. Ingo Marenholz, der neben Sarah Grosche, Dr. Jorge Esparza Gordillo und Dr. Aleix Arnau-Soler Co-Erstautor der Studie ist. Imputation nennt sich dieses statistische Verfahren. Mit Hilfe eines Referenzdatensatzes können zusätzliche Informationen aus vorhandenen Datensätzen gewonnen werden. Im Gegensatz zu früheren Studien verwendete das Team für die Imputation den Datensatz des Haplotype Reference Consortiums, der die kompletten DNA-Sequenzen von mehr als 32.000 Individuen enthält und der erstmals die verlässliche Imputation auch seltener Varianten ermöglicht.

Entzündungshemmende Enzyme deaktiviert

„Auf diese Weise haben wir elf neue Varianten mit einer Häufigkeit von unter fünf Prozent in der Bevölkerung entdeckt. Wir schätzen, dass von allen untersuchten Varianten, die seltenen einen Beitrag von über 20 Prozent zum Krankheitsrisiko leisten“, sagt Marenholz. Einige davon liegen direkt in den Genabschnitten, die für Proteine kodieren. Sie haben einen Aminosäure-Austausch zur Folge, was zu einem veränderten Protein führt. Dies seien gute Kandidaten für funktionelle Studien, erklärt der Wissenschaftler. Betroffen sind die Gene DUSP1 NOTCH4 und SLC9A4, wobei die von DUSP1 und NOTCH4 kodierten Proteine in der Haut nachgewiesen wurden.

DUSP1 ist an der Deaktivierung entzündungshemmender Enzyme beteiligt. Die Forschenden modellierten bei diesem Protein den Aminosäureaustausch und stellten fest: Eine Änderung der Proteinsequenz erfolgt an der Stelle des Moleküls, an der die Zielproteine binden, eine weiterere in der Nähe des aktiven Zentrums. Ob die Varianten die Regulierung von Entzündungsreaktionen in der Haut negativ beeinflussen, sollen weitere Studien zeigen.

Neue Therapieansätze in Sicht

Neurodermitis ist meist die erste allergische Erkrankung im Kleinkindalter und damit auch die erste Etappe des „atopischen Marsches“. Mit der Neurodermitis steigt das Risiko, später Asthma, Heuschnupfen und oder Nahrungsmittelallergien zu entwickeln – eine lebenslange Allergiker-Karriere. „Könnte man die Neurodermitis eindämmen, ließen sich möglicherweise auch andere Allergien reduzieren“, meint Marenholz. Sie ist bisher nicht heilbar, kann aber am besten möglichst frühzeitig therapiert werden. Aktuell untersuchen Forschende, ob die frühzeitige und konsequente Behandlung des Ekzems den atopischen Marsch unterbrechen kann.

Marenholz ist überzeugt: „Die besondere Stärke genomweiter Studien ist, dass bisher unbekannte Krankheitsmechanismen gefunden werden können. Und darüber dann auch Ziele für neuartige Therapieansätze.“ Derzeit besteht die Therapie in der Regel aus entzündungshemmenden Wirkstoffen, die lokal auf der Haut wirken. In schweren Fällen können auch systemische Therapien, beispielsweise mit Immunmodulatoren, zur Anwendung kommen.

Quelle: Pressemeldung Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

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