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Bei moderater bis schwerer Neurodermitis verbessern Biologika und JAK-Hemmer die Therapie

9. September 2023 - Dr. Uwe Schwichtenberg

Atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist eine verbreitete chronische Hautkrankheit mit starkem Einfluss auf die Lebensqualität der Erkrankten. Diagnostik und Therapie sind komplex. Bei moderaten bis schweren Formen, die mit topischer Therapie allein nicht zu behandeln sind, stellen moderne Systemtherapien mit Biologika und JAK-Hemmern einen deutlichen Fortschritt für die Behandlung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dar.

Einen aktuellen Überblick zu Diagnose und Therapie gibt die unter der Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e. V. (DDG) entstandene Leitlinie „Atopische Dermatitis“, an deren Erstellung zahlreiche medizinische Verbände und Selbsthilfeorganisationen beteiligt waren.

Neurodermitis, medizinisch atopische Dermatitis (AD) oder atopisches Ekzem genannt, gehört zu den häufigen chronischen Erkrankungen in Deutschland. Sie betrifft alle Altersgruppen, tritt aber meist bereits im Kindesalter auf. Hierzulande leiden etwa 13 % aller Kinder und etwa 2 % aller Erwachsenen unter Neurodermitis. Der Verlauf der AD ist chronisch und die Symptome sind belastend: Trockene, eingerissene und entzündete Haut, intensiver Juckreiz sowie Schmerzen. Bei der Mehrheit der Betroffenen ist die AD leicht ausgeprägt. Je nach Lokalisation und Ausdehnung kann sich jedoch eine schwere Hauterkrankung entwickeln. „Die Neurodermitis schränkt die Lebensqualität stark ein, betrifft viele Alltagsbereiche und geht häufig mit einer Stigmatisierung der Betroffenen einher“, sagt Prof. Dr. med. Thomas Werfel, Direktor der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied im Vorstand der DDG.

Eine Aktualisierung der S2k-Leitlinie zur Neurodermitis aus 2016 war dringend notwendig, da neue medikamentöse Behandlungsoptionen das Management der Erkrankung verändert haben. Im Bereich der Systemtherapie führt der Einsatz von Biologika und JAK-Inhibitoren zur Therapie der moderaten bis schweren AD zu Behandlungserfolgen, was zusammen mit verschiedenen Indikationserweiterungen in der Leitlinie thematisiert wird. „Das Leitlinien-Update im Jahr 2020 zum speziellen Aspekt der Systemtherapie war übergangsweise Hilfe und Orientierung. Jetzt konnten wir die Leitlinie auf S3-Niveau anheben, da wir einen größeren Teil der aufwändigen methodischen Vorarbeiten aus der kürzlich finalisierten europäischen Leitlinie übernehmen konnten“, erklärt Werfel.

Der hohe Stellenwert der topischen Behandlung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Neurodermitis wird in der Leitlinie differenziert dargestellt und bewertet. Es bleibt bei den meisten Patientinnen und Patienten dabei, dass die Lokaltherapie zusammen mit der Basistherapie die wichtigsten Bausteine für das Management der Erkrankung sind.
Ist die AD schwerer ausgeprägt, können die in den letzten Jahren zugelassenen Systemtherapien bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt werden. Die neueren Systemtherapeutika werden im Detail bewertet. Die Expertinnen und Experten sind sich einig: Da diese Therapeutika gut wirken und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich erhöhen, sollten sie ihnen nach genauer Prüfung der Indikation nicht vorenthalten werden.
„Wichtig war dem interdisziplinär zusammengesetzten Leitlinien-Gremium, auch die nicht medikamentösen Verfahren inklusive Psychotherapie und Schulungsprogramme zu bewerten“, hebt Priv.-Doz. Dr. med. Annice Heratizadeh, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medizinische Hochschule Hannover und Leiterin des Neurodermitis-Schulungsteam, hervor. Psychoedukative Programme mit nachgewiesener Wirksamkeit wie z. B. die Schulungsprogramme AGNES (für Eltern AD-kranker Kinder, erkrankte Kinder selbst und für Jugendliche mit AD) sowie ARNE (für Erwachsene) werden ausdrücklich empfohlen.

Neu in der Leitlinie ist die Unterscheidung zwischen der allgemeinen Diagnostik zur Sicherung der Diagnose Neurodermitis und der Diagnostik individueller Triggerfaktoren inklusive allergologischer Auslöser und berufsdermatologischer Aspekte, was im Management der Erkrankung nach wie vor nicht vernachlässigt werden darf. Prof. Dr. med. Hagen Ott, Chefarzt der Pädiatrischen Dermatologie und Allergologie am Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT in Hannover, betont, dass es weder im Kindesalter noch bei Erwachsenen einen „Königsweg“ im Umgang mit vermuteten Auslösefaktoren der Erkrankung gibt. Dazu muss man wissen, dass Nahrungsmittelallergien bei Kindern mit moderater bis schwerer AD deutlich häufiger sind als in der Allgemeinbevölkerung und bei 15 bis 40 % der Patientinnen und Patienten vorkommen. Die Komorbidität ist mit dem Schweregrad der AD assoziiert. „Die Triggerfaktoren müssen individuell identifiziert werden, bevor konkrete Empfehlungen etwa zu Diäten ausgesprochen werden“, so Ott, der die Leitlinie zusammen mit Werfel koordinierte. Eine sogenannte Eliminationsdiät könne hilfreich sein. „Die Zahl unnötiger Diäten muss aber reduziert werden, da mit ihnen immer auch die Gefahr der Fehlernährung und emotionale Belastungen einhergehen“, mahnt der Kinder- und Hautarzt.

Im Anhang der Leitlinie finden sich praxisorientierte Checklisten, die für jedes Alter konsentiert wurden und für die Einschätzung der Schwere der Erkrankung und der Indikation für eine Systemtherapie hilfreich sind. Die Tabellen zeigen die allgemeinen Empfehlungen (inklusive Empfehlungsgrad) zur topischen sowie zu antiinflammatorischen, systemischen Langzeittherapie.
Die aktualisierte Leitlinie soll Ärztinnen und Ärzte bestmöglich bei der Behandlung von AD-Patientinnen und -Patienten unterstützen. Hilfreich ist dabei zudem die von der Division of Evidence based Medicine (dEBM) erstellte Kurzpräsentation der Leitlinie, die als Schulungsmaterial in Mittagsvisiten, Qualitätszirkeln oder bei sonstigen Weiterbildungen eingesetzt werden kann.

Quelle: Pressemeldung Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG)

 

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