Die Psychodermatologie widmet sich als etablierter Bereich innerhalb der Dermatologie in Zusammenarbeit mit Psychosomatik und Psychiatrie dem Zusammenspiel physischer und psychischer Komponenten bei Hauterkrankungen. Das Ziel der Psychodermatologie ist die Verbesserung der Versorgung von dermatologischen Patientinnen und Patienten. Dies geschieht durch die bedarfsgerechte Ermittlung psychischer Begleitfaktoren und Erkrankungen sowie die Integration passender psychotherapeutischer Therapieansätze in die Behandlung, um so die Therapie insgesamt zu verbessern. Patientinnen und Patienten können so noch besser in den Behandlungsprozess eingebunden und bei der Bewältigung ihrer Erkrankung sowie im Selbstmanagement gestärkt werden. Voraussetzung dafür sind adäquate Versorgungsstrukturen und mehr psychodermatologische Inhalte in der dermatologischen Aus- und Weiterbildung. Darauf weist die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) anlässlich des „Welttages der seelischen Gesundheit“ am 10. Oktober hin.
Hauterkrankungen haben fast immer auch eine psychosomatische Dimension. Aktuelle Studien lassen vermuten, dass bei circa 20-40% aller Patientinnen und Patienten, die an einer Hautkrankheit leiden, auch eine psychische Erkrankung vorliegt, zum Beispiel eine Depression oder eine Angststörung. Auch körperliche Beschwerden, die darauf hinweisen, dass Betroffene stark unter Stress leiden, wie Erschöpfung, Magen-Darm-Beschwerden oder Schmerzen, werden häufig berichtet. Zudem sind Hautläsionen oft nicht nur für die Betroffenen sichtbar, sondern auch für deren Mitmenschen. Reaktionen wie Ekel oder „Angst vor Ansteckung“ führen bei Betroffenen nicht selten zu Scham, Verunsicherung, Stigmatisierung und Rückzug aus der Öffentlichkeit. Die psychosozialen Folgen der Sichtbarkeit von Haut- und Haarkrankheiten haben also einen Anteil am Zustandekommen psychischer Beschwerden. An einer Hauterkrankung zu leiden kann also psychisch stark belasten und sogar weitere körperliche Symptome hervorrufen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort „psychosomatisch“ allerdings häufig synonym mit „psychogen“ verwendet. Diese Sichtweise ist heutzutage jedoch überholt“, sagt Prof. Dr. med. Eva Peters, Leiterin des Labors für Psychoneuroimmunologie an der Klinik für Psychosomatische Medizin der Universität Gießen. Krankheiten wie Psoriasis und atopische Dermatitis beispielsweise, für die inzwischen komplexe psychoneuroimmunologische Zusammenhänge aufgedeckt werden konnten, zeigen deutlich, dass körperliche und psychische Gesundheit bei Hauterkrankungen in einer Wechselbeziehung stehen und akute Befundverschlechterungen keine monokausalen, sondern vielfältige Auslöser haben können. Zu diesen gehören auch Stress oder besonders belastende Lebensereignisse, erklärt die Dermatologin und Psychosomatikerin, die auch die Vorsitzende des Arbeitskreises Psychosomatische Dermatologie (AkPsychDerm) der DDG ist.
Die moderne Psychodermatologie basiert auf dem biopsychosozialen Krankheitsmodell. Biologische, psychische und soziale Faktoren spielen in diesem Modell gemeinsam bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Hautkrankheit eine wichtige Rolle. „Psychosoziale Faktoren sind an der Entstehung jeder Krankheit beteiligt. Dabei interagieren sie und treten nicht-linear über den gesamten Krankheitsverlauf hinweg auf“, erläutert Peters. Die Häufigkeit psychischer Belastungen und Erkrankungen insbesondere bei Hautpatientinnen und -Patienten ist für Peters nicht überraschend. Schon anatomisch ist die Haut über ihre Innervation eng mit dem Gehirn verbunden. So können Stressbotenstoffe bei psychischer Belastung direkt in Entzündungsprozesse in der Haut eingreifen. Es gibt zudem Hinweise in der Forschung, dass depressive Verstimmung Folgen für die Immunfunktion hat, während umgekehrt systemische Entzündungen auch direkt zu depressiven Verstimmungen führen können. Deshalb fordert Peters: „Wenn eine Patientin oder ein Patient zum Beispiel mit einer schweren Neurodermitis in die dermatologische Praxis kommt, sollten bereits bei der Anamnese auch psychische und soziale Faktoren erfragt werden und dann in die Therapieplanung mit einfließen“.
In der Dermatologie haben medikamentöse Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte die Therapiemöglichkeiten bei chronisch entzündlichen Erkrankungen enorm verbessert. „Auch moderne Therapien stoßen aber mitunter bei komplexen chronischen Hautkrankheiten an ihre Grenze. Hier kann die Psychodermatologie das Behandlungsangebot erweitern und die Therapie verbessern“, konstatiert Peters. Sehr gut untersucht sind diese Therapieansätze beim atopischen Ekzem (Neurodermitis) und beim Juckreiz, einem klassischen Leitsymptom in der Dermatologie. Hier liegt für Entspannungsverfahren und Patienten-Schulungsprogramme sowie für bestimmte psychotherapeutische Verfahren Evidenz vor. Einige dieser Angebote sind auch Bestandteil in der dermatologischen Rehabilitation. Schulungen werden in spezialisierten Zentren zu verschiedenen Themen angeboten: Asthma (AGAS), Neurodermitis bei Kindern und Jugendlichen (AGNES) sowie Erwachsenen (ARNE) und Anaphylaxie-Schulungen (AGATE). Die modular aufgebauten Konzepte bestehen aus medizinischen Informationen und Ernährungseinheiten, Entspannungstraining, Rollenspielen und Habit-Reversal-Techniken (HRT). HRT sind Techniken, die ‚Krankheits-unterhaltende Verhaltensweisen‘ durchbrechen, indem sie diese durch andere akzeptable und ablenkende Tätigkeiten ersetzen: zum Beispiel das Ballen der Fäuste statt Hautkratzen, um so den Juckreiz-Kratz-Zirkel, der zu neuen Infektionen und einer Verstärkung des Juckreizes führt, zu durchbrechen.
„Im europäischen Vergleich ist die psychodermatologische Versorgungslage in Deutschland nicht schlecht. Aber auch hierzulande gibt es Defizite“, sagt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal. Die Dermatologin und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG verweist auf das White Paper von EADV und European Society für Dermatology and Psychiatry (ESDaP), das 2023 in einem europaweiten Vergleich die psychodermatologischen Angebote erhoben und bewertet hat. In Deutschland wird das Thema seit Jahren durch den DDG-Arbeitskreis AkPsychDerm vertreten. Es gibt seit 2018 eine S1-Leitlinie, die sich – aktuell gefördert durch den Gemeinsamen Bundesausschuss – in der Überarbeitung und Aufwertung zu einer S3-Leitlinie befindet. Spezialisierte klinische Angebote sind jedoch nach wie vor nur vereinzelt vorhanden „Deutschland braucht mehr multidisziplinäre Psychodermatologie-Angebote mit einer angemessenen personellen Ausstattung“, so Hofmann.
Ärztinnen und Ärzte sollten außerdem bereits in der Ausbildung mit der Diagnose und Behandlung von psychodermatologischen Erkrankungen vertraut gemacht werden. „Eine frühe psychosomatische Mitbehandlung kann helfen, einer Verschlechterung, Chronifizierung oder Therapieresistenz im Verlauf einer Hauterkrankung entgegenzuwirken und behandelbare psychische Erkrankungen zügig einer geeigneten Versorgung zuzuführen“, fasst Peters zusammen. Die Psychodermatologie hat sich inzwischen etabliert. Ihre Erkenntnisse sind wissenschaftlich abgesichert. Insbesondere die frühe Integration der biopsychosozialen Perspektive in die Behandlung kann eine bedeutende Rolle in der erfolgreichen Therapie von Hauterkrankungen spielen. Nicht zuletzt fördert sie die Adhärenz, also die Einhaltung der gemeinsam von Patientin/Patient und Behandler gesetzten Therapieziele.
Der internationale Aktionstag „World Mental Health Day“ findet seit 1992 immer am 10. Oktober statt. Initiatoren sind die World Federation for Mental Health (WFMH) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ziel des Aktionstages ist es, über die psychische Gesundheit von Menschen zu sprechen, über psychische Erkrankungen zu informieren und zugleich für Solidarität mit den Erkrankten und ihren Angehörigen zu werben. Das Motto des diesjährigen Aktionstages lautet „Mental Health at Work“. www.who.int/campaigns/world-mental-health-day/2024
Quelle: Pressemeldung Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
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