Neurodermitis, auch Atopische Dermatitis (AD) oder atopisches Ekzem genannt, ist eine verbreitete chronische Hautkrankheit, die mit einem hohen Leidensdruck verbunden ist und Auswirkungen auf Alltag und Beruf hat. AD tritt meist bereits im Kindesalter auf – etwa 13 % aller Kinder sind betroffen. Bei den Erwachsenen sind es 2 %. Entzündete Haut, quälender Juckreiz (Pruritus) und Schmerzen gehen oft mit Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen und depressiven Verstimmungen einher. Bei schweren Hauterkrankungen kann eine stationäre Rehabilitation in einer dafür spezialisierten Klinik hilfreich sein. „Ein Reha-Aufenthalt ist für Patientinnen und Patienten mit schwerer AD ein unverzichtbarer Therapiebaustein. Aussicht auf eine Bewilligung durch den Kostenträger besteht immer dann, wenn die Leistungsfähigkeit bereits beeinträchtigt oder gefährdet ist und es zudem eine positive Reha-Prognose gibt“, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas, Chefarzt des Fachbereichs Dermatologie an der Fachklinik Bad Bentheim. Kostenträger ist bei Erwerbstätigen meist die Deutsche Rentenversicherung (DRV), bei Kindern und Rentnern die Krankenkasse. Ein Anspruch besteht in der Regel alle vier Jahre. „Eine stationäre Reha ist immer dann eine Option, wenn durch die ambulante Behandlung das Therapieziel nicht erreicht werden konnte“, sagt Tsianakas, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation in der Dermatologie (AReD) ist.
Die meist dreiwöchige Reha unterscheidet sich von der ambulanten Behandlung vor Ort durch ihren ganzheitlichen Ansatz. Im Fokus stehen die Erkrankung, Komorbiditäten, psychische und psychosoziale Aspekte, die in den individuellen Therapieplan aufgenommen werden. Die Behandlung übernimmt dabei ein interdisziplinäres Team aus Dermatologie, Psychologie, Ernährungsberatung, Sport- und Physiotherapie sowie Pflege. In Schulungen erlernen die Erkrankten die Bedeutung der Basistherapie (tägliche Hautpflege) und den Umgang mit „Externa“, die keine oder keine pharmakologisch aktiven Wirkstoffe enthalten. „Neben der Verbesserung der Hauterscheinungen liegt ein weiteres Ziel auf dem Management der Erkrankung. Zudem sollen die Lebensqualität gesteigert und Stigmatisierungen reduziert werden“, erklärt Dr. med. Hanka Lantzsch, Chefärztin der Klinik für Dermatologie & Allergologie, Asklepios Nordseeklinik Westerland/Sylt und stellvertretende Vorsitzende der AReD. Unter dem Motto „Reha vor Rente“ wird ein weiteres wichtiges Ziel verfolgt: die Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten oder diese wiederherzustellen.
Aufgrund der Chronizität der Neurodermitis, die oftmals schon im Kindesalter beginnt, wird ein Schwerpunkt auf den Umgang mit der Hauterkrankung in verschiedenen Lebenssituationen gelegt. Dies umfasst neben psychologischen Elementen auch Entspannungsverfahren, Seminare und Vorträge sowie Schulungen über die Erkrankung selbst und Therapiemöglichkeiten, sportliche Anwendungen und eine intensive Lokaltherapie meist mit Bädern und UV-Therapie. Einen neuen Schwerpunkt liefert die verhaltensmedizinisch-orientierte Rehabilitation (VOR) mit einer stärkeren Einbeziehung der psychischen Elemente.
Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen bietet eine Reha große Chancen. Die 2020 veröffentlichte S1-Leitlinie zur „Stationären Dermatologischen Rehabilitation“ [1] empfiehlt, dass Kinder bis zum 12. Lebensjahr von einer Bezugsperson in die Reha begleitet werden. Kinder und Jugendliche mit Hauterkrankungen haben einen Anspruch auf Reha. Der Antrag läuft über den für die Familie zuständigen Rentenversicherungsträger oder die Krankenkasse. „In dem meist vierwöchigen Reha-Aufenthalt können die Kinder und Jugendlichen neben der individuellen Behandlung auch Gruppenangebote nutzen. Im Kreis mit ebenfalls Betroffenen gelingt eine positive Auseinandersetzung mit der Erkrankung oft besser“, ergänzt Lantzsch. Vor allem in der Phase der Transition, also dem Übergang vom Jugend- in das Erwachsenenalter, brauchen Teenager mit chronischen Erkrankungen noch einmal besondere Unterstützung. „Die dermatologische Reha kann das leisten. Die Angebote für die Jugendlichen beziehen Themen wie Berufsorientierung, Partnerschaft und Familienplanung mit ein“, erläutert die Dermatologin.
Am Nutzen der dermatologischen Reha-Maßnahmen gibt es keine Zweifel. Und doch sind die Zahlen rückläufig. Nach Angaben der DRV kam es von 2018 bis 2021 zu einer deutlichen Abnahme um 42 %. Abgesehen von diesem Corona-Pandemie-Effekt zeigten bereits die DRV-Zahlen in der vorangehenden Dekade von 2008 bis 2018 für die dermatologische Reha einen Rückgang um 13 %. Die Diagnosen Psoriasis und Atopische Dermatitis machen 85 % der Diagnosen aus. „Den Reha-Rückgang bei der Schuppenflechte kann man vermutlich darauf zurückführen, dass in diesem Jahrzehnt mit den Biologika als neue wirksame Medikamente der Bedarf einfach sank. Was natürlich sehr begrüßenswert ist“, sagt Tsianakas. Bei der AD greift dieser Erklärungsansatz aber nicht, denn hier stehen die neuen Therapieoptionen erst seit Ende 2017 zur Verfügung. „Wir vermuten, dass in den letzten Jahren die Sensibilität für das Thema Reha abgenommen hat“, bedauert der AReD-Vorsitzende. Sein Fazit: „Die gut vorhandene Infrastruktur wird leider in der Dermatologie nicht genügend genutzt.“ Hier sind Ärztinnen/Ärzte und Betroffenen gleichermaßen aufgefordert, aktiv zu werden. „Die medizinische Rehabilitation ist neben der ambulanten und stationären akutmedizinischen Behandlung die dritte Säule der Versorgung“, betont Tsianakas.
Auch bei der dermatologischen Reha ist eine leitliniengerechte Behandlung der Schlüssel zum Erfolg. Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG, verweist auf die im Juni erschienene S3-Leitlinie Atopische Dermatitis [3], die ausdrücklich empfiehlt, dass bei schwerer Neurodermitis und „nach Behandlungsbedarf“ eine ambulante oder stationäre Reha angeboten werden soll.
Quelle: Auszüge einer Pressemeldung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG)
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