Tacrolimus Salbe und Pimecrolimus Creme sind in der sehr sinnvolle Mittel zur Behandlung der Neurodermitis, weil es die roten juckenden Flecken zum Verschwinden bringt, ohne die Haut dünner zu machen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Kortisoncremes, die bei unsachgemäßer Anwendung unter anderem die Gefahr einer Hautverdünnung bergen.
Es stimmt nicht, dass die Präparate bei Kindern unter 2 Jahren nicht anwendbar sei. Richtig ist, dass es bereits mehrere publizierte, international anerkannte wissenschaftlich fundierte Studien zur Behandlung kleinerer Kinder mit Tacrolimus Salbe und Pimecrolimus Creme gibt, die auch in diesem Alter die Wirksamkeit und Sicherheit von Pimecrolimus Creme belegt haben. Weil die Zulassung der Arzneimittelbehörde für diese Altersgruppe noch nicht erfolgt ist, wäre dies arztrechtlich ein sogenannter "Heilversuch".
Ich würde aufgrund dieser derzeitigen Datenlage ohne Bedenken auch ein einjähriges Kind mit Tacrolimus Salbe oder Pimecrolimus Creme im Rahmen eines solchen Heilversuchs behandeln, wenn diese im individuellen Fall hautfachärztlich angezeigt ist.
Prof. Dr. A. Wollenberg
Damit ein Medikament in Deutschland für eine bestimmte Erkrankung und eine bestimmte Altersgruppe zugelassen werden kann, müssen sehr hohe Auflagen an den Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit erfüllt werden. Auch gilt der Grundsatz, dass man mit einem Arzneimittel erst einmal im Erwachsenenalter hinreichende Erfahrung sammeln soll, bevor man es bei Kindern anwendet. Das setzt sich vom Lebensalter her abwärts fort bis zu Kleinkindern und Säuglingen.
Es hat also hauptsächlich formaljuristische Gründe, weshalb Tacrolimus und Pimecrolimus erst ab 2 Jahren zugelassen sind. Es gibt nämlich schon gute Studien mit Kindern bis herab zu 3 Monaten. Wenn also jemand sagt "Kortison wollen wir trotzdem nicht nehmen" obwohl medizinisch auch in diesem Alter nichts gegen eine fachgerecht geführte Therapie mit Kortisoncreme spricht, dann halte ich Tacrolimus Salbe für eine hervorragende Alternative. Im Endeffekt ist es die Eigenverantwortung des behandelnden Arztes, ob er das Medikament schon bei einem 10-monatigen Kind verschreibt. Ich hätte jedenfalls kein Problem damit.
Prof. Dr. Andreas Wollenberg
Die Beschreibung, die Sie mir von Ihrer Tochter geben, passt recht gut zu einer beginnenden Neurodermitis. Im Endeffekt ist für die definitive Diagnosestellung aber eine chronische, also länger bestehende Hauterkrankung notwendig. Es ist also durchaus noch möglich, dass es doch keine Neurodermitis wird. Wenn eine für eine längere Zeit durchgeführte Behandlung mit Tacrolimus oder Pimecrolimus zur relativen Beschwerdefreiheit führt, werten wir das als gutes Zeichen für die Zukunft. Das sage ich auch meinen Patienten so, wohingegen ich die Formulierung "in der Regel für das spätere Leben als beschwerdefrei" als etwas zu euphorisch empfinde.
Eine frühe Therapie der Neurodermitis empfehlen wir Hautärzte grundsätzlich, weil das für den Gesamtverlauf der Neurodermitis günstig ist. Nach meiner persönlichen Erfahrung und der Erfahrung mehrerer Kollegen ist eine frühe Therapie der Neurodermitis ebenfalls sinnvoll, um das Risiko für andere allergische Erkrankungen wie Asthma zu senken. Das ist zwar noch nicht "wasserdicht" gezeigt, jedoch würde ich meine eigene Familie auf jeden Fall so behandeln.
Ihre Tochter würde ich erst untersuchen wollen, bevor ich eine Behandlungsempfehlung abgebe. Gehen Sie vielleicht am besten zu ihrem Hautarzt oder dermatologisch versierten Kinderarzt, um nach einer Untersuchung dort die persönlich auf Sie zugeschnittene, beste Empfehlung zu bekommen.
Prof. Dr. Andreas Wollenberg
Die Kombination von sehr trockener Haut und juckenden Ausschlägen an den Ellenbeugen ist schon ziemlich verdächtig für eine Neurodermitis, aber letztendlich kann der Arzt das erst bei der Untersuchung sagen. Bei kleinen Kindern wird man zunächst einmal die roten Flecken zum Verschwinden bringen, dazu kann man "Kortisoncreme" oder auch die neuen topischen Immunmodulatoren Tacrolimus Salbe und Pimecrolimus Creme verwenden und das so lange, wie die roten Flecken da sind. Später wird man die trockene Haut nur mit Pflegecremes behandeln. Die Neurodermitis muss man auch dann regelmäßig mit Pflegecermes behandeln, wenn gerade keine roten Flecken da sind. Glücklicherweise jucken aber nur die gerade bestehenden roten Flecken und nicht die Veranlagung dazu, überhaupt rote Flecken zu bekommen.
Prof. Dr. Andreas Wollenberg
Ob eine bestimmte Salbe auf der Haut juckt, kann man zwar manchmal voraussagen (viele Menschen klagen über Brennen, wenn harnstoffhaltige Salben auf entzündete Haut aufgetragen werden) aber im Endeffekt ist das eine Sache des "zielgerichteten Ausprobierens". Hier sollten Sie mit dem Hautarzt Ihres Vertrauens das Vorgehen individuell besprechen. Die Behandlungserfolge mit den Wirkstoffen Tacrolimus und Pimecrolimus sind gut und um so besser, je "richtiger" es eingesetzt wird. Hierzu sollte im Einzelfall mit dem Hautarzt vor Ort ein individuelles Konzept zur Diagnostik und Behandlung erstellt werden.
Prof. Dr. Andreas Wollenberg
Die Neurodermitis ist eine in Schüben verlaufende Erkrankung, die eine entsprechende Vorgehensweise in der Behandlung verlangt. Zu Beginn eines Schubes sollte frühzeitg intensiv mit antientzündlichen Cremes und Salben gearbeitet werden. Eine sekundäre Bakterienbesiedlung der Haut spielt dabei auch meistens eine Rolle, was aufgrund des Hautbildes und mit Hilfe eines Bakterienabstriches diagnostiziert werden kann. Die Reduktion der Keime auf der Haut mit speziellen antibakteriellen Cremes sollte in Verbindung mit den antientzündlichen Cremes/Salben (dazu gehören Tacrolimus, Pimecrolimus und auch cortisonhaltige Cremes) zu einer Verbesserung oder Abheilung der Hautveränderungen führen.
Ein Wiederaufflammmen der Entzündung wird verhindert, indem man die örtliche Behandlung ausschleicht, und die Hautpflege mittels rückfettenden Cremes/Salben und Ölbädern intensiviert. Eine kontinuierliche rückfettende Pflege verhindert neue Schübe nachhaltig. Auch eine intermittierende (zwischenzeitliche) antientzündliche Behandlung, z.B. mit cortisonfreien- oder cortisonhaltigen Cremes, die zweimal wöchentlich angewendet werden, scheinen Schübe zu verhindern.
Dr. Martina Moderer
Der Bereich um Mund und inbesondere Augen ist zwar schon "heikel" für "Kortisonsalben", aber nur dann, wenn man zu starke Salben zu langfristig anwendet. Ein guter Hautarzt kann sehr gut erkennen, wann man wie lange diese Salben geben darf. Sie sollten sich einen Hautarzt Ihres Vertrauens vor Ort suchen.
Die neuen Salben, die Calzineurinhemmer oder auch topische Immunmodulatoren genannt werden (Tacrolimus Salbe und Pimecrolimus Creme), sind im Gesicht überhaupt nicht heikel, da müssen Sie irgendetwas verwechselt haben. Diese können zwar beim ersten Auftragen ein intensives Wärmegefühl bis hin zum Brennen erzeugen, machen die Haut aber garantiert nicht dünner.
Prof. Dr. Andreas Wollenberg
Ich beantworte die Fragen mal der Reihe nach:
"Ist es sinnvoll, die Behandlung mit Linola H fortzusetzen..." Linola H TM mit dem Inhaltstoff Prednisolon ist ein bewährtes Kortikoidpräparat, allerdings gibt es inzwischen andere, ähnlich oder stärker wirkende Präparate, deren Nebenwirkungen aber geringer sind: z.B. Ecural TM Fettcreme (Wirkstoff Mometasonfuroat 0,1%) ist für Kinder ab zwei Jahre zugelassen. Dermatop TM Creme/Salbe/Fettsalbe (Wirkstoff Prednicarbat 0,25%) als weiterer Vertreter neuerer Glukokortikoide (= Kortisonpräparate) der Wirkungsstärkeklasse II unterliegt keiner Altersbegrenzung. Diesen beiden Kortikoidpräparaten würde ich gegenüber Linola H TM den Vorzug geben. Nach sechs Tagen sollte ein erster Erfolg zu sehen sein.
"...oder gibt es alternative Mittel, um den Juckreiz und den Ausschlag zu vermindern?" Alternative Mittel zur Bekämpfung des häufig quälenden Juckreizes vor allem nachts sind Antihistaminsäfte. Für Kinder bieten sich Dimetinden (Fenistil) oder Doxylamin (Mereprine) oder Clemastin (Tavegil) als Sirup an. Die Dosierung richtet sich nach dem Körpergewicht bzw. dem Alter.
" wir haben auch Elidel und Protopic im Haus" (Tacrolimus Salbe und Pimecrolimus Creme): Ja, das wären echte Alternativen zur Kortikoidtherapie. Pimecrolimus Creme ist zugelassen für Patienten ab zwei Jahren mit leichtem bis mittelschwerem atopischen Ekzem (= Neurodermitis) und Tacrolimus Salbe ist zugelassen für Patienten ab zwei Jahren mit mittelschwer bis schwerer Neurodermatitis. Diese Präparate können mit Ausnahme der Schleimhäute auf allen Hautarealen angewendet werden, einschließlich Kopf und Gesicht, was ja auch wichtig bei Ihrer Tochter wäre. Allerdings Vorsicht um die Augen! Bei versehentlichem Kontakt mit den Augen sollte die Creme sorgfältig mit Wasser ab- bzw. ausgewaschen werden. Die Behandlung mit Linola H oder einem anderen Kortikoidpräparat muss vorher beendet werden.
"Was kann man am besten im Gesicht und um die Augen verwenden?" Tacrolimus und Pimecrolimus kann man, wie oben beschrieben, zumindest im Gesicht, wenn auch nicht im Augenbereich auftragen. Falls das Ekzem periorbital (= um die Augen herum) einmal besonders stark ausgeprägt sein sollte, könnte man kurzfristig, also für ein, zwei, drei Tage auch einmal Ficortril Augensalbe (ein Kortikoidpräparat) dünn auftragen, um die Haut wieder ganz zu beruhigen.
Ich weiß nicht, welche Ihre "üblichen Cremes" sind, aber von den rückfettenden Pflegeprodukten sind doch viele im Gesicht anwendbar. Abitima wird von Kindern sehr gut vertragen (da gibt es speziell "Abitima face"), auf trockene Augenlider könnten Sie Bepanthen Augensalbe auftragen. Angenehm und besonders für neurodermitische Kinderhaut zu empfehlen sind Pflegeprodukte mit Nachtkerzensamenöl wie z.B. enthalten in der "Omegaserie" von Eucerin, speziell für das Gesicht: Omega TH 12% Creme (Lotion eher für den Körper). Auf jeden Fall ist die regelmäßige - mindestens einmal, wenn nicht zweimal tägliche - Basispflege mit rückfettenden Pflegeprodukten ganz, ganz wichtig zur Linderung des Ekzems und zum Hinausschieben des nächsten Schubs.
"Kann sie trotzdem auf irgendetwas gerade um den Mund,..., reagieren?" Provokationsfaktoren der Neurodermatitis können sein: Kontaktallergene (wie Nickel, Duftstoffe, Konservierungsstoffe...), Irritantien (Desinfektionsmittel, Lösungsmittel, Wolle...), Flugallergene (Pollen, Hausstaubmilben, Haustierhaare...), Nahrungsmittel, Bakterien, Hefepilze, Hormone, Stress und Klima - eine lange Liste! Allgemein zu den Nahrungsmitteln und Neurodermitis: Sollten Sie trotz des unauffälligen RASTs bemerken, dass ein bestimmtes Nahrungsmittel das Ekzem Ihrer Tochter wiederholt eindeutig verschlechtert, dann, aber auch nur dann, sollte ihr Kind dieses meiden.
Dr. Philippa Golling
Neurodermitis wird in Abhängigkeit von den Allergenen, denen ein Kind ausgesetzt ist, immer langsam besser oder langsam schlechter. Wenn viele Keime auf der Haut sind, ist das schlecht, denn ein ganz bestimmter Keim namens "Staphylococcus aureus" macht die Neurodermitis auch dann schlechter, wenn man gar nicht allergisch darauf ist. Von daher war das mit Antibiotika (gegen die Keime) und Kortison (gegen die Immunreaktion) sicherlich eine gute Sache für Ihr Kind.
Die fehlgeleitete Immunreaktion muss man möglichst gut bremsen, ohne dabei größeren Schaden anzurichten. Dann gehen auch Entzündung, Rötung, Schuppung und Juckreiz weg. Zum sinnvollen Bremsen einer Immunantwort haben wir im Kindesalter neben den Kortison-Cremes neuerdings die modernen selektiven Calzineurinhemmer-Cremes (z.B. Protopic, Elidel). Der Wirkstoff vom Protopic (Tacrolimus) ist stärker, deshalb ist weniger davon drin als im Elidel (Wirkstoff Pimecrolimus). Weil auch noch die Grundlage unterschiedlich ist, kommt es auf den Einzelfall an, was besser vertragen und ob die Effektivität des Präparats ausreicht. Es ist nämlich leichter, Schübe zu verhindern als ein richtig voll aufgeblühtes Ekzem zur Abheilung zu bringen.
Prof. Dr. Andreas Wollenberg
Die verschiedenen Medienberichte, die zur Verunsicherung vieler Patientinnen und Patienten führte, ruht von der Ankündigung der amerikanischen Bundesbehörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) her, einen Hinweis in die Fachinformationen von Präparaten mit Tacrolimus und Pimecrolimus aufzunehmen, dass deren Anwendung die Entstehung von Hauttumoren und Lymphomen möglicherweise begünstigen könnte. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) hat, wie auch andere Fachgesellschaften, in der Juni Ausgabe Ihres Fachmagazins JDDG die Ankündigung der FDA wie folgt kommentiert:
"Die DDG spricht sich gegen diesen Warnhinweis aus, da dafür derzeit keine wissenschaftliche Rechtfertigung besteht und zu befürchten ist, dass dieser nur zu ungerechtfertigter Verunsicherung von Patienten, der Familien, und medizinisch beratenden Personen führen wird."Dr. Uwe Schwichtenberg